Im Jahresbericht 2015 tut sie es trotzdem: Der Kreis der Nutzerinnen ist beschränkt und geschlossen, die Wirkung nachhaltig, der geschützte Freiraum für offene Gespräche untereinander nicht selten lebenswichtig.
Den ganzen Jahresbericht gibt es hier: Jahresberichte
Was steckt hinter dem Begriff «Mädchentreff» von ToKJO, Barbara?
Barbara Hösli: Der «Mädchentreff» ist ein konstantes Angebot für Mädchen der Oberstufe. Zurzeit bestehen in Langenthal drei Mädchentreffgruppen, in Lotzwil eine. Das vielseitige Programm wird von den Mädchen mitgestaltet. Es beinhaltet verschiedene Aktivitäten wie zum Beispiel Kochen, Wellness, Klettern, Yoga, Tanzen oder Malen, mit dem Ziel, Neues kennen zu lernen, kreativ zu sein oder sich etwas Gutes zu tun. Bei ToKJO ist der Mädchentreff kein offenes Angebot, das von allen Mädchen besucht werden kann. Die Gruppen werden in der Regel zu Beginn der 7. Klasse gegründet und bestehen dann so lange, wie die Gruppe selbst es wünscht, längstens aber bis Ende der obligatorischen Schulzeit. Der Grund liegt vor allem bei den regelmässig stattfindenden sogenannten «Girls-Talks», bei denen die Mädchen viel Persönliches preisgeben und die deshalb einen vertrauensvollen Rahmen bedingen. Der Mädchentreff ist ein beliebtes, nachhaltiges und persönlichkeitsbildendes Angebot mit dem einzigen Nachteil, dass es nicht für alle Mädchen aus den ToKJO-Gemeinden angeboten werden kann.
Welche Ziele verfolgst du mit den Girls-Talks?
Die Mädchen sollen die Möglichkeit erhalten, altersspezifische Themen wie zum Beispiel erste Liebe, sexuelle Entwicklung, Süchte usw. unter ihresgleichen zu besprechen. Sie sollen dabei Neues erfahren, aber auch ihre Fragen und eigenen Erfahrungen einbringen können. Die Erkenntnis, dass sie nicht alleine sind mit ihren Gedanken, Ängsten und Wünschen, tut gut und gibt den Mädchen Halt und Geborgenheit in der Gruppe. Die Rückmeldungen der austretenden Mädchen bestätigen mir immer wieder, dass vor allem die Girls- Talks die persönliche Entwicklung vom Mädchen zur jungen Frau positiv geprägt haben. Ein wichtiges Ziel der Girls-Talks ist es auch, dass die Mädchen Toleranz und Offenheit entwickeln gegenüber Minderheiten oder Menschen mit anderen Meinungen.
Welche Themen wurden 2015 besonders diskutiert?
Es überrascht wohl nicht, dass das Thema «Jungs» die Mädchen intensiv beschäftigt. Eine der Entwicklungsaufgaben im Jugendalter ist ja unter anderem, Beziehungen zum anderen Geschlecht aufzubauen und die eigene Geschlechterrolle zu finden. Was so einfach tönt, ist für viele eine anstrengende, zum Teil belastende Aufgabe. «Ich bin zu dick/ zu dünn» – «Ich bin nicht hübsch» – «Ich bin nicht beliebt»: Solche Aussagen höre ich immer wieder, von vielen Mädchen. Das Selbstwertgefühl der Mädchen ist in der Pubertät oft nicht so gross, auch wenn das gegen aussen vielleicht anders scheinen mag. Der Mädchentreff soll ihnen in dieser Zeit Unterstützung bieten.
Welche besonderen Angebote gab es in diesem Jahr in den Mädchentreffs?
Es gab 2015 keine speziellen Angebote, wie etwa im Vorjahr den Radio-Workshop. Der Mädchentreff hat aber im Frühling am ToKJO-Flohmarkt mitgeholfen und im Herbst an einem Stand in Langenthal selbstgemachte Sachen verkauft. Der Erlös ging zu Gunsten des Mädchentreffs. Die Idee hinter diesen zwei Aktionen: die Mädchen können ToKJO auf diese Weise etwas zurückgeben, sie dienen aber auch der Öffentlichkeitsarbeit. Wegen des geschützten Rahmens bzw. der beschränkten Teilnahme wird der Mädchentreff als wichtiges Angebot von ToKJO gegen aussen ja kaum sichtbar.
Welches war dein persönliches Highlight mit der Gruppe Lotzwil?
Der Mädchentreff Lotzwil unterscheidet sich leicht von den anderen Gruppen. Üblicherweise besuchen die Mädchen ab der 7. Klasse den Mädchentreff. In Lotzwil hingegen habe ich die Mädchen bereits Ende der 5. und 6. Klasse eingeladen (Doppelklasse). Von den Vorteilen profitieren wir bis heute: da die Mädchen oft schon seit dem Kindergarten zusammen die Schule besuchten, ist der Zusammenhalt in dieser Gruppe besonders gross. Auch wenn sie inzwischen unterschiedliche Klassen und Schulorte besuchen, der Besuch des Mädchentreffs ist ihnen sehr wichtig.
Das vertrauensvolle Verhältnis trägt dazu bei, dass die Diskussionen engagiert und mit grosser Offenheit geführt werden. Das war auch 2015 so, wo wir im Girls- Talk über Ängste, Selbstverletzung, Taschengeld und Geheimnisse gesprochen haben. Der Altersunterschied hat sich bisher nicht nachteilig ausgewirkt, auch nicht bei den Gesprächen über Sexualität.
Ohne nun gleich Geheimnisse zu verraten: Was passiert im «Mädchenraum» des Langenthaler Jugendtreffs Neon?
Der Mädchenraum im Neon Langenthal ist der Rückzugsort des Mädchentreffs. Er ist nicht so gross, bietet aber auf den Sofas allen Mädchen eine kuschelige Sitzgelegenheit. Hier finden vor allem die Girls-Talks statt, die Mädchen ziehen sich aber auch gerne für Zweier- oder Dreiergespräche dorthin zurück. Der Mädchenraum ist wie eine Stube, in der man sich für gute Gespräche trifft – die Mädchen bezeichnen den Mädchentreff denn auch gerne als «wie eine Familie».
Der Langenthaler Mädchentreff war auch in der Ausstellung «Frauenpower» des Museums Langenthal präsent. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? Was erwartete einen da?
Das Museum plante die aktuelle Ausstellung «Frauenpower – starke Frauen aus dem Oberaargau». Zum erweiterten Team gehörte die Mutter von zwei Töchtern, die beide den Mädchentreff Langenthal besucht hatten. Sie brachte die Idee ein, dass nebst den Frauen, die sich in den vergangenen Jahrhunderten durch ein herausragendes Engagement ausgezeichnet hatten, auch die starken Frauen von morgen zu Wort kommen sollten – und diese würden ja unter anderem aus dem Mädchentreff kommen! Die Idee hat mich begeistert und ich fragte sieben ehemalige Mädchentreff-Besucherinnen an, ob sie stellvertretend für die gegenwärtige und zukünftige Frauen-Generationen von ihren eigenen Erfahrungen als Mädchen erzählen würden und berichten, welche Bedingungen es ihrer Meinung nach braucht, damit junge Frauen stark und selbstbewusst werden können. Das Resultat ist eine sehenswerte Videoproduktion, die bis am 20. März 2016 im Museum Langenthal zu sehen war.
Bleiben die Gruppen fürs nächste Jahr zusammen?
2016 werden wir in einer Gruppe in Langenthal Abschied voneinander nehmen. Diese Mädchen besuchen zur Zeit die 9. Klasse. Natürlich ist das immer ein trauriger Moment, nach all den gemeinsam verbrachten Stunden mit tollen Aktivitäten und tiefgreifenden Diskussionen. Für die Mädchen ist es zusätzlich eine schwierige Zeit, weil in Kürze auch ihre gemeinsame Schulzeit zu Ende geht und ein neuer, unbekannter Lebensabschnitt bevorsteht. Wir schauen gemeinsam zurück und staunen ob der schon rein optisch eindrücklichen Entwicklung der Mädchen. Ich selber freue mich natürlich besonders über ihre persönliche Entwicklung. Kichernde Teenager waren es zu Beginn, reife und überlegt handelnde jungen Frauen sind es nach knapp drei Jahren Mädchentreff.
Auch ein Teil des Mädchentreffs Lotzwil steht kurz vor Ende ihrer obligatorischen Schulzeit. Hier werden wir an einem für sie reservierten Abend offiziell Abschied nehmen und die gemeinsame Zeit feierlich beenden. Es steht den Mädchen hier aber offen, danach weiter in den Mädchentreff zu kommen, wenn es ihnen zeitlich möglich ist. Alle anderen Gruppen laufen noch bis im Sommer 2017 weiter.
Auf welches Highlight freust du dich besonders?
Ein Highlight für die Mädchen der 9. Klasse wird der Besuch bei der Frauenärztin sein. Wir werden im SRO immer sehr herzlich empfangen und die Mädchen dürfen sich nebst dem Besprechungszimmer auch ein Gebärzimmer und die Abteilung mit den Neugeborenen ansehen. Danach nimmt sich die Gynäkologin ausgiebig Zeit, um alle Fragen der Mädchen über Verhütungsmittel, Schwangerschaft und gynäkologische Erkrankungen zu beantworten.
Wo liegen 2016 deine Prioritäten?
Die Verabschiedung der Mädchen werden wir wieder sorgfältig planen, sodass die gemeinsame Zeit für alle angemessen und harmonisch abgeschlossen werden kann. Ganz bewusst wird die Gruppe den Entscheid fällen, wie sie den letzten Abend verbringen möchte. Die Rückmeldungen und Erinnerungen der Mädchen geben mir Hinweise darauf, wo ich den Mädchentreff noch verbessern kann und welche Angebote besonders beliebt und wertvoll sind.
Gibt es Angebote, die wir vergeblich in deiner Planung suchen?
Die Mädchen sind in die Planung der Programme stets eingebunden, das heisst: ihre Ideen sind gefragt und werden wenn möglich umgesetzt. Hier gibt es ab und zu Vorschläge, die ich aus ethischen Überlegungen ablehne, wie zum Beispiel Paintball. Auch zum gemeinsamen Shopping würde ich mit den Mädchen nicht gehen, da nicht alle Mädchen über gleich viel Taschengeld verfügen.