Für Stellenleiter Thomas Bertschinger war das ToKJO- Jahr 2015 einmal mehr reich an guten Erfahrungen, starken Angeboten, tollen Momenten, gefestigten Partnerschaften, persönlichen Highlights, heiklen Phasen, erfolgreich gemeisterten Herausforderungen, verpassten Chancen und Lust auf mehr Nähe zu den Jugendlichen.
Welches war dein Highlight 2015?
Thomas Bertschinger: Es gab für mich verschiedene Highlights. Ein allgemein sicht- und messbarer Höhepunkt ist sicher der Weltspieltag auf dem Wuhrplatz Ende Mai. Er hat gezeigt, wie gross das Bedürfnis nach kindergerechtem, begleitetem Spiel ist. Das gilt bestimmt auch für die Eröffnung der Langenthaler WärchBar mit all ihren Möglichkeiten und Workshop-Angeboten.
Die Kleiderbörse, von einer unserer Praktikantinnen lanciert, war ein starkes Highlight. Genauso berührt hat mich aber auch die allgemeine Entwicklung der Treffs in Lotzwil oder Bützberg. Das Jugendteam in Roggwil konnte im vergangenen Jahr immer wieder neue
Akzente setzen und in Wynau wird die Neulancierung des Kochangebots schon fast etwas zu gut besucht und überbucht. Die Mitarbeitenden können die gesetzten Ziele vor lauter Kindern manchmal kaum erreichen.
Gibt es dennoch ein persönliches Lieblingsprojekt 2015?
Zu meinen Lieblingsprojekten zählt sicher der besondere Samichlaus von ToKJO, der 2015 erstmals in Kooperation mit allen angeschlossenen Sozialdiensten in allen zehn ToKJO-Gemeinden realisiert werden konnte. Dieses Projekt gäbe es längst nicht mehr, würden es die Mitarbeitenden nicht so hoch schätzen und mit einem starken gemeinsamen Effort tragen. Wie man Kindern mit einem vergleichbar einfachen Angebot eine so grosse Freude machen kann, fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Auch die Kooperation mit Interunido im Ziegelhofquartier hat mir gut gefallen. Quartierarbeit ist sicher ein wichtiges Thema, das nicht nur grossen Städten vorbehalten bleiben darf.
Wo lagen die Schwerpunkte deiner Arbeit als Stellenleiter?
Ich war im vergangenen Jahr selber auch wieder öfter im direkten Kontakt mit den Jugendlichen. Da es rund um den Jugendtreff Langenthal einige Herausforderungen zu meistern gab, übernahm ich einen Teil der Präsenz im Jugendtreff gleich selber. Auch in der «Tafelei», einem Projekt für junge Männer, war ich öfter vor Ort als zu Beginn geplant. Ich finde es aber wichtig und erfüllend, mit den Jugendlichen direkt arbeiten zu können. Ich bin immer auch gerne noch selber mobil unterwegs und bin bei Beratungen präsent.
Ansonsten war die Vernetzung ein zentrales Thema des vergangenen Jahres. In verschiedenen Arbeitsgruppen entsteht ein «Netzwerk Oberaargau», das sehr präventiv und niederschwellig arbeitet. Eine erfolgsversprechende Entwicklung in der Arbeit. Daneben waren die Weiterentwicklung von schulergänzenden Angeboten, die Entwicklung der Geschäftsleitung und die Personalplanungen sicher intensivere Arbeitsgebiete.
Was ist 2015 nicht wie gewünscht geglückt?
Nicht alle geplanten Projekte konnten umgesetzt werden, dies aus verschiedenen Gründen. Der Littering-Kalender war im Programm, wurde aber nicht gemacht, auch ein Filmprojekt konnte nicht wie gewünscht realisiert werden. Auch eine geplante Disco-Tour durch die Gemeinden fand nicht statt. Zum einen ist dies schade, zum anderen zeigt es, dass viele kleinere Angebote und Beziehungen wichtiger waren. Eine Entwicklung, die ich begrüsse.
Wo machst du Handlungsbedarf aus?
Speziell in zwei Bereichen. Im aktuellen Mitwirkungsprozess zum Langenthaler Siedlungsrichtplan wurde für uns deutlich, dass in der Quartierarbeit und damit in den Quartierzentren ein grosses Potenzial für uns steckt. Nicht nur für Langenthal, das kann man sehr wohl regional betrachten. Die Präsenz in den Quartieren bringt viele Vorteile, die Leute sollen motiviert werden, das Nebeneinander aktiv zu gestalten, was nicht mehr überall eine Selbstverständlichkeit ist. Ein solches VorgehenfördertvieleneueKompetenzenundentlastet langfristig die öffentliche Hand. Ein weiterer wichtiger Bereich ist der öffentliche und halböffentliche Raum. Hier gilt es gemeinsam tragbare Lösungen zu finden gegen Vandalismus oder Littering, auf der anderen Seite aber auch gegen die Konsumhaltung und den Rückzug von Jugendlichen. Es darf nicht sein, dass die Erwachsenenwelt auf der einen Seite reklamiert, die Jugendlichen würden nur noch am Handy, der Playstation oder vor dem Internet hängen und auf der anderen Seite werden Jugendliche mittels Verbote und Sanktionen aus öffentlichen Räumen vertrieben. Wir sollten den öffentlichen Raum für die Jugendlichen als Erlebnisraum erhalten. Dies gelingt nur durch Austausch und Präsenz. Ansonsten ziehen sich jene Jugendlichen weiter zurück, die sich an Verbote halten.
Welche neuen Angebote von ToKJO haben sich 2015 bewährt, welche eher nicht?
Die Wärchbar im Langenthaler Ruckstuhl-Areal wird sich gut etablieren, dies zeigt aktuell das grosse Interesse am Seifenkisten-Projekt. Damit zusammenhängend sicher auch die Herbstangebote, die lanciert werden konnten, um bei den Kindern die Freude am Werken oder draussen aktiv zu sein, zu fördern.
In Wynau geht das Konzept mit den aktuellen Angeboten gut auf, das Mittagsangebot kann sicher etabliert werden. Die vielen teilnehmenden Kinder haben uns fast etwas überrannt. Wir werden die Strukturen wohl noch etwas anpassen.
Nicht wie gewünscht bewährt hat sich die im vergangenen Jahr lancierte Projektstelle für regionale Projekte. Diese sollte die Mitarbeitenden entlasten und die grösseren Projekte koordinieren. Den Mitarbeitenden fehlte leider der direkte Zugang zu den Jugendlichen und damit die Beziehungen für eine direkte Umsetzung. So wurden einige Projekte nicht wie geplant realisiert oder konnten geplant werden, mussten dann aber doch an die Kolleginnen und Kollegen vor Ort zur Realisation abgegeben werden. Wir korrigieren dies im laufenden Jahr bereits wieder, ein Nutzen ist nicht gegeben.
Wie hat sich der Bereich Beratung entwickelt?
Hier gab es keine grösseren Veränderungen. Wir können insbesondere bei sehr niederschwelligen Themen helfen. Wie in den Vorjahren kontaktierten uns die meisten Jugendlichen mit Anliegen zu Lehrstellen und Bewerbungen. Auch Themen rund um die Schule wurden gemeinsam betrachtet. Dann war natürlich der öffentliche Raum ein brisantes und brennendes Thema: Verhalten, Wegweisungen, Nutzungskonflikte, Verbote. Hier stossen Jugendliche schon mal mit Nutzungsgruppen zusammen, die andere Interessen haben. Ich würde jedoch sagen, das sei nichts Dramatisches. Bei schwierigen Themen versuchen wir die Jugendlichen auf die vorhandenen Angebote aufmerksam zu machen und begleiten sie bei Bedarf.
Wie viele Kinder und Jugendliche wurden 2015 erreicht?
Eine genaue Zahl zu nennen ist in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit immer sehr schwierig. Was heisst erreicht? Gerade in der Aufsuchenden Arbeit ist dies schwer zu sagen. Wir waren beispielsweise in Kooperation mit dem SCL an zahlreichen Eishockey- Spielen in der Fankurve präsent. Wen und wie viele haben wir hier erreicht? Auch bei den Nutzungsgruppen alleine im Kulturstall ist es schwer zu sagen, wer nun gezählt werden soll. Wir haben dort acht konstante Mietgruppen, die das Jugendhaus bei der Alten Mühle in Langenthal regelmässig nutzen. Sollen wir alle Mieter und Dritte, die wir bei der Umsetzung ihrer Hobbys und Veranstaltungen unterstützt haben, mitzählen?
Wie in den Vorjahren liegt die offiziell ausgewiesene Zahl auch 2015 zwischen 15`000 und 20`000. Die effektive Zahl liegt wohl darüber. Für mich zählt gerade in der Offenen Jugendarbeit indessen die Qualität viel mehr als die Quantität. Die «Jagd» nach absoluten Zahlen birgt Gefahren, obwohl ich die Forderung nach messbaren Kriterien durchaus verstehe. Jedoch ist oft die konstante Arbeit mit einer Mädchengruppe oder einem Jugendteam über mehrere Monate hinweg besonders wertvoll, weil die Jugendlichen lernen, sich zu engagieren, sich einzubringen und Werte mitnehmen. Demgegenüber wäre statistisch ein Openair-Konzert mit 1000 Leuten für das Reporting fast besser. Über die innere und äussere Qualität eines solchen Angebots sagt die Zahl 1000 allerdings wenig aus.
Welche Ziele wurden 2015 erreicht?
Auch diese Frage ist bei über 100 Angeboten in zehn Gemeinden mit individuellen Anliegen schwer zu beantworten. Dazu kommt eine Zielgruppe, die mit einer Spanne von 6 bis 20 Jahren äusserst breit und vielfältig angelegt ist.
Die Mitwirkung konnte sicher in vielen Bereichen als wichtiger Bestandteil definiert werden. Die Jugendlichen waren nicht Adressaten von Projekten, sondern Beteiligte. So beispielsweise bei der Jugendzeitung oder bei der «Stage Parade – The next level». Alles Projekte, die von Jugendlichen definiert wurden. Aber auch die Mädchengruppen konnten ihre Programme selber mitgestalten und haben mit Aktionen darüber hinaus Verantwortung übernommen. Dazu kommen aktive Gruppen wie das Jugendteam Roggwil oder das KULT-Team in Langenthal.
Kinder- und jugendgerechte Rahmenbedingungen waren nicht nur dank der Analysemethode «spielend aufwachsen» immer mal wieder Thema und die Jugendarbeit wies oft genug auf die Bedeutung von guten Bedingungen beim Aufwachsen hin und hat mit ihrenAngebotenfürdieÜbernahmevonVerantwortung durch die Jugendlichen gesorgt. Gerade in der Kinderanimation sind unsere Angebote ganz bewusst auf integrative Elemente und Gesundheitsförderung ausgerichtet. Das sind übrigens ganz allgemein elementare, konzeptionelle Grundüberlegungen der Fachstelle.
Dein kurzes Fazit zum langen Jahr 2015?
Rückblickend war es ein starkes Jahr, mit intensiven Momenten und schwierigen Prozessen. Ich bedaure die Abgänge der beiden Mitarbeiter Valerio Moser und Joel Erni gegen Ende Jahr. Hier wäre für die Jugendlichen wieder mehr Konstanz wünschenswert. Höchst erfreulich und Mut machend empfinde ich die Zusammenarbeit mit den Schulen, den Gemeinden, Fachstellen oder Kirchen. Da funktionierte das Miteinander gut.